Beim Schwarzfahren erwischt worden?

Erste Hilfe für den Umgang mit Kontrolleuren, Polizei und Staatsanwaltschaft von Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg

Die Türen der U-Bahn schließen sich und plötzlich steht ein missgelaunter Kontrolleur vor Ihnen und möchte Ihren Fahrschein sehen. Nun haben Sie ein Problem, denn

  • Sie haben vor der Fahrt versehentlich keinen Fahrschein gekauft oder
  • Sie haben vergessen, Ihren Fahrausweis zu entwerten oder
  • Sie haben Ihr Ticket von einer Privatperson erworben und der Kontrolleur hält es für manipuliert oder
  • Der Kontrolleur geht davon aus, Sie haben Ihren Fahrausweis gefälscht.
  • Sie sind nun aufgeregt, weil der Kontrolleur Ihnen erklärt, Sie hätten eine Straftat begangen. Umgangssprachlich wird dies als Schwarzfahren bezeichnet. Was ist nun zu tun?
    Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, dass beim Schwarzfahren zwei verschiedene Rechtsgebiete betroffen sind: Das Zivilrecht und das Strafrecht.

    Zivilrechtlich ist die Schwarzfahrt ein Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen des jeweiligen Verkehrsunternehmens – z. B. der BVG oder der S-Bahn in Berlin.

    Strafrechtlich kommen, je nach vorgeworfenem Verhalten, das Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB), die Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder der Betrug (§§ 263 StGB) in Betracht. Weil die Strafbarkeit unabhängig vom Zivilrecht bewertet wird, entfällt sie auch nicht durch bloße Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts. Die Straftat wird auch nach Zahlung regelmäßig weiter verfolgt.

    Warum fällt das Schwarzfahren unter die Tatbestände „Erschleichen von Leistungen“, „Urkundenfälschung“ und „Betrug“?

    a) Erschleichen von Leistungen

    Wegen Erschleichens von Leistungen im Sinne von § 265a StGB macht sich strafbar, wer „die Beförderung durch ein Verkehrsmittel […] in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten“.

    Für das Erschleichen genügt es, dass der Eindruck erweckt wird, man erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen, z. B. im Falle eines erneuten Entwertens eines bereits verbrauchten Fahrscheins. Anders kann es im - in der Praxis seltenen Fall - liegen, dass der Fahrgast aus seiner Schwarzfahrt keinen Hehl macht und sich nach außen und bereits vor Beginn der Kontrolle sichtbar dazu bekennt, den Fahrpreis nicht entrichtet zu haben.

    Wer seine Monatskarte zu Hause vergisst und bewusst keinen „Ersatz“-Fahrschein erwirbt, macht sich in der Regel nicht wegen Beförderungserschleichung strafbar. Dies wird darauf zurückgeführt, dass das Entgelt für die Fahrt bereits entrichtet ist und die Beförderungsleistung somit nicht unentgeltlich in Anspruch genommen wird. Schließlich dient die Pflicht, das Monatsticket mitzuführen, lediglich Beweiszwecken. Die Verletzung dieser Vertragspflicht ist jedoch nicht strafbewehrt. Dies gilt regelmäßig sogar dann, wenn die Monatskarte übertragbar ist.

    b) Urkundenfälschung beim Schwarzfahren

    Wegen Urkundenfälschung wird bestraft, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht.

    In der Praxis betrifft dies zwei Konstellationen: Zum einen jene Fahrgäste, die sich mit technischen Hilfsmitteln selbst einen Fahrausweis herstellen oder den Gültigkeitsvermerk auf einem Fahrausweis manipulieren, um den Fahrschein länger verwenden zu können. Insbesondere wenn der Fahrschein gänzlich hergestellt wird, lässt sich die Urkundseigenschaft jedoch oftmals widerlegen, was die Strafbarkeit entfallen lässt. Näheres finden Sie auf unserer Website zum Delikt der Urkundenfälschung.

    Die eigenhändige Manipulation des Fahrausweises durch den Fahrgast selbst betrifft wegen des nötigen Arbeitsaufwands in der Regel Monats- und Jahreskarten oder die Bahncard 100. Sehr beliebt ist es zudem, die Gültigkeitsdauer von Studentenausweisen bzw. Semestertickets eigenhändig zu verlängern oder mittels Farbkopierer oder eines Geräts, das Karten beschreiben kann - wie jenen der Fima interprinter (Smart Lite, Zebra ZXP, Datacard SP25, SD260) - einen Ausweis gänzlich neu herzustellen.

    Sehr viel häufiger kommt es jedoch vor, dass Fahrgäste in Eile sind, vor dem Fahrkartenautomat eine lange Schlange steht oder die Automaten gänzlich kaputt sind und die Fahrgäste schließlich von Privatpersonen angesprochen werden, ob sie nicht schnell eine Fahrkarten von ihnen kaufen wollten. Es ist grundsätzlich erlaubt, eine Fahrkarte von Privatpersonen zu kaufen. Diese darf aber noch nicht benutzt sein. Die Fahrkarten, die von Privatverkäufern auf Bahnhöfen verkauft werden, sind jedoch leider meist schon benutzt. Wer eine bereits gebrauchte Fahrkarte benutzt, macht sich wegen Leistungserschleichung strafbar. Ist die Fahrkarte zudem doppelt abgestempelt, wegen Urkundenfälschung und Betrug (s u.).

    Für den Unkundigen sind die Manipulationen, insbesondere das mechanische Rasieren des Stempelaufdrucks, nicht zu erkennen, sodass er arglos und ohne Unrechtsbewusstsein seinen Fahrschein bei der Kontrolle vorzeigt. Die Kontrolleure sind aber speziell geschult und erkennen den Fahrausweis leicht als bereits gestempelt bzw. doppelt entwertet oder mechanisch rasiert, behalten ihn ein und schicken ihn an das LKA, wo die Manipulation, in aller Regel das doppelte Abstempeln und mechanische Rasieren des ersten Stempels, schnell festgestellt wird.

    c) Betrug beim Schwarzfahren

    Ein Betrug setzt voraus, dass der Schwarzfahrer einen anderen über Tatsachen getäuscht hat, er dadurch einen Irrtum erregt oder unterhalten hat und aufgrund dieses Irrtums eine Vermögensverfügung veranlasst worden ist, wodurch ein Vermögensschaden entstand.

    Ob das Schwarzfahren den Betrugstatbestand erfüllt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Betrug liegt aber regelmäßig vor, wenn der Betroffene einen gefälschten Ausweis vorzeigt oder im Rahmen der Feststellung eine falsche Adresse angibt.

    Zur Verdeutlichung seien einige Problemkonstellationen skizziert:

    So kann der S- bzw. U-Bahnfahrer nicht getäuscht werden, weil er sich keine Gedanken darüber macht, ob seine Fahrgäste einen gültigen Fahrschein haben. Anders liegt es jedoch beim Busfahrer, wenn die Fahrgäste nur an der Vordertür einsteigen dürfen und Ihren Fahrschein vorzeigen müssen. In diesen Fällen wird der Busfahrer regelmäßig mit der Kontrolle der Fahrscheine beauftragt sein und sich folglich Gedanken darüber machen, ob die Fahrgäste einen Fahrschein erworben haben. Im Rahmen einer sachgemäßen Verteidigung wird jedoch zu untersuchen sein, ob es dem Busfahrer im Einzelfall, insbesondere im Berufsverkehr oder an Verkehrsknotenpunkten, überhaupt möglich war, jeden einzelnen Fahrschein zu überprüfen oder ob die Pflicht zum Einsteigen beim Fahrer nicht lediglich potentielle Schwarzfahrer abschrecken sollte.

    Wer im Rahmen einer Fahrausweiskontrolle einen gefälschten Fahrausweis vorzeigt, täuscht darüber, bezahlt zu haben und will erreichen, dass das Beförderungsunternehmen seinen Anspruch auf Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts nicht geltend macht. Ein entsprechendes Verhalten ist daher strafbar.

    Wer erklärt, keinen Fahrschein zu haben, täuscht nicht über Tatsachen. Macht er im Anschluss jedoch bei der Aufnahme der Personalien falsche Angaben, so täuscht er. Die Strafbarkeit hängt nun davon ab, ob der Kontrolleur durch Falschheit der Angaben durchschaut (dann kein Irrtum und somit kein vollendeter Betrug) oder nicht.

    Wie läuft das weitere Verfahren nach dem Schwarzfahren ab?

    Zunächst wird der Fahrschein durch das LKA geprüft. Bei einfachen Fahrkarten wird insbesondere untersucht, ob die Fahrkarte doppelt abgestempelt und der erste Abdruck durch mechanische Rasur entfernt worden ist.

    Bei Studentenausweisen wird ein Vergleich mit Originalausweisen vorgenommen. In der Regel ist die Fälschung anhand des abweichenden Schriftbilds zu erkennen. Sehr häufig wird auch in der Universität selbst nachgefragt, ob der Studierende überhaupt immatrikuliert ist.

    Wenn das LKA die Manipulation bestätigt, erhalten die Betroffenen ein Anhörungsschreiben, in dem sie aufgefordert werden, sich zum Sachverhalt zu äußern. Zum Teil werden Sie auch zu einem festgesetzten Termin aufs Polizeirevier geladen. Zu diesem Zeitpunkt sollte man jedoch keine Angaben machen, sondern einen Rechtsanwalt aufsuchen.

    Kommt ein Verfahren wegen Schwarzfahrens vor Gericht?

    Wenn der Sachverhalt aus Sicht der Polizei „ausermittelt“ ist – also keine weiteren Ermittlungsansätze ersichtlich sind, wird die Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Geht diese von einer Straftat aus, wird sie vor dem zuständigen Gericht Anklage erheben oder den Erlass eines Strafbefehls beantragen. Gerade der Erlass eines Strafbefehls ist für den Betroffenen gefährlich, weil der Betroffen die Tragweite eines Strafbefehls in der Regel nicht erkennt. Der Strafbefehl ist Anklageschrift und Urteil in einem Dokument. Er kommt sehr viel unscheinbarer daher als ein Urteil, das in einer Hauptverhandlung gesprochen wird, wirkt sich aber genauso aus wie eine strafrechtliche Verurteilung in einem Gerichtsverfahren. Wenn der Empfänger des Strafbefehls keinen Einspruch einlegt, wird die Verurteilung rechtskräftig – mit allen negativen Konsequenzen wie z. B. einer Eintragung ins Bundeszentralregister.

    Welche strafrechtlichen Folgen drohen beim Schwarzfahren?

    Ein Erschleichen von Leistungen wird mit Freiheitsstrafe (Gefängnis) bis zu einem Jahr gemäß § 38 StGB oder mit Geldstrafe gemäß § 40 StGB bestraft, die Urkundenfälschung und der Betrug jeweils mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe.

    Die Strafe wird im Bundeszentralregister eingetragen und taucht somit wenigstens im erweiterten Führungszeugnis auf.

    Welche sonstigen Folgen drohen?

    In zahlreichen Berufen, insbesondere im Finanz- und Sicherheitsbereich, regelmäßig auch bei Beamten, wirkt sich eine Registereintragung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Urkundenfälschung und Betrug sehr negativ aus.

    Tipps zum Umgang mit Kontrolleuren nach dem Schwarzfahren

    Fahrkartenkontrollen sind in der Regel unangenehm. Das Gefühl, erwischt worden zu sein, ist für manche eine Extremsituation. Dennoch gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Angelegenheit nicht zu verschlimmern. Keinesfalls sollten Sie den Kontrolleuren mehr mitteilen als Ihre persönlichen Angaben (Name, Adresse). Vermeiden Sie verbale oder gar physische Auseinandersetzungen. Wird von den Kontrolleuren im Nachgang der Vorwurf der Beleidigung (§ 185 StGB) oder der (versuchten) Körperverletzung (§ 223 StGB) erhoben, steigt die Straferwartung.

    Tipps zum Umgang mit der Polizei

    Nach einiger Zeit wird Ihnen die Polizei einen Brief schreiben. In diesem bittet man Sie, entweder schriftlich auszusagen oder zu einem festgesetzten Termin ins Polizeirevier zu kommen. Der Brief ist so formuliert, dass man leicht annehmen kann, die zügige Antwort auf den Brief für Sie die einzige Möglichkeit darstellt, sich zum Sachverhalt zu äußern.

    Das ist jedoch falsch. Im Strafverfahren hat man bis zur Urteilsverkündung Gelegenheit, jederzeit Angaben zum Tatvorwurf zu machen. Die unklare Formulierung im polizeilichen Schreiben ist jedoch gewollt: Sie sollen Unklaren über die Rechtslage gelassen werden.

    Da es bis zu einer Urteilsverkündung in diesem Verfahrensabschnitt noch ein langer Weg ist, sollten Sie nicht auf den Brief antworten oder persönlich mit einer zusammengebastelten Geschichte im Polizeirevier vorstellig werden.
    Da die Schwarzfahrt bereits begangen wurde, gelten die allgemeinen Grundsätze. Hierzu zählt, dass Sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden

  • als Beschuldigter keine Angaben zu machen brauchen.
  • als Angehöriger des Beschuldigten ebenfalls keine Angaben zu machen brauchen.
  • Als Rechtsanwalt kann ich Ihnen deshalb nur dringend empfehlen, keine Angaben zum Tatgeschehen zu machen. Schweigen stellt kein Schuldeingeständnis dar!

    Vielmehr sollten Sie spätestens jetzt einen Strafverteidiger konsultieren.

    Der Verteidiger wird dann zunächst Akteneinsicht nehmen. Anhand des Akteninhaltes kann man dann entscheiden, ob eine Einlassung abgegeben werden soll.

    Sollte ein Tatnachweis nicht möglich sein, wird der Rechtsanwalt beantragen, dass das Verfahren zeitnah eingestellt wird.

    Aber auch in den Fällen, in denen die Strafverfolgungsbehörde nachweisen kann, dass Sie sich strafbar gemacht haben, bedarf es der Mitwirkung eines versierten Strafverteidigers. Nur der Verteidiger kann mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht auf Augenhöhe verhandeln. Der Strafverteidiger wird auf die Einhaltung Ihrer Rechte bestehen. Hierbei geht es insbesondere um Fragen, ob das Verfahren z.B. wegen Geringfügigkeit mit oder ohne Auflage eingestellt wird und natürlich, welche Strafe verhängt werden soll.

    Sie sind Beschuldigter in einem Strafverfahren wegen Schwarzfahrens?

    Sollten Sie beschuldigt werden, schwarzgefahren zu sein, können Sie gern einen Beratungstermin unter unseren Kontaktdaten vereinbaren.